Stellungnahme zum Gegenstandskatalog für die schriftlichen Prüfungen nach dem Psychotherapeutengesetz vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP)

(16.09.2002)

Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie begrüßt grundsätzlich das Bemühen des IMPP, durch einen Gegenstandskatalog die Transparenz von Ausbildung und Prüfung für die Ausbildungsteilnehmer zu erhöhen. Es ist davon auszugehen, dass der Gegenstandskatalog darüber hinaus eine erhebliche steuernde Funktion für die Gewichtung und die Inhalte der Ausbildung an den verschiedenen Ausbildungsinstituten haben wird. Themenbereiche, die im Gegenstandskatalog sehr differenziert aufgeführt sind, werden  - nicht zuletzt durch Druck der Ausbildungsteilnehmer -  auch einen großen Umfang der Ausbildungszeit in Anspruch nehmen.

Der Wissenschaftliche Beirat möchte nicht auf einzelne Inhalte des Gegenstandskatalogs eingehen. Er sieht jedoch einige grundsätzliche Probleme, die im folgenden aufgeführt werden:

  1. Inhaltliche Korrespondenz zwischen Prüfungsinhalten und Ausbildungsinhalten
  2. Gemeinsamer Gegenstandskatalog für die Prüfungen von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
  3. Ausbildungsumfang: Überbetonung einzelner Ausbildungsinhalte und relative Vernachlässigung anderer Ausbildungsinhalte

Zu 1: Inhaltliche Korrespondenz zwischen Prüfungs- und Ausbildungsinhalten

Die Ausbildungsinstitute sind bei der Gestaltung der Curricula an die Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, hier besonders an die Anlage 1, gebunden. Insofern ist es auch erforderlich, dass sich der Gegenstandskatalog an diesen Vorgaben orientiert, wobei sicherlich Präzisierungen und Gewichtungen möglich und sogar notwendig sind. In einigen Punkten sind jedoch gravierende Abweichungen zwischen dem Gegenstandkatalog und dem Ausbildungskatalog nach Anlage 1 festzustellen. Das betrifft in erster Linie das Kapitel A 3. "Methoden und Erkenntnisse der Psychotherapieforschung" des Ausbildungskatalogs der Anlage 1, der im Gegenstandskatalog überhaupt nicht auftaucht. Aus Sicht des Wissenschaftlichen Beirates kommt nicht zuletzt diesen Lehrinhalten ein hoher Stellenwert zu. Auch wenn nicht das gesamte Spektrum der Forschungsergebnisse, zumal zum Psychotherapieprozess, gelehrt und geprüft werden kann, so sind doch Lehrveranstaltungen zu den Methoden der Psychotherapieforschung und zu den wichtigsten Resultaten der Ergebnisforschung und auch der Prozessforschung unverzichtbar.

Eine weitere Diskrepanz ist im Kapitel 1 festzustellen: Ein Teil des Gegenstandskatalogs bezieht sich auf biologische und psychobiologische Grundlagen, die im Ausbildungskatalog der Anlage 1, zumindest in dieser Differenziertheit, nicht vorgesehen sind.

Der im Ausbildungskatalog vorgesehene Bereich "Geschichte der Psychotherapie" ist im Gegenstandskatalog als eigenes Kapitelnicht vorgesehen. Selbst wenn diesem Lehrinhalt kein besonders hoher Stellenwert zuzuordnen wäre, würde ein völliges Fehlen im Gegenstandskatalog jedoch dazu führen, dass entsprechende Lehrinhalte praktisch entfallen würden. Angesichts der weitgehend historisch und nicht notwendigerweise wissenschaftlich bedingten Vielfalt und Heterogenität psychotherapeutischer Ansätze wäre dies nicht zu rechtfertigen.

Zu 2: Gemeinsamer Gegenstandskatalog für die Prüfungen von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

Der Beirat befürwortet getrennte Gegenstandskataloge (und Prüfungen) für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Dies ergibt sich allein schon aus den unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen und den Unterschieden der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Für die übereinstimmenden Bereiche kann sicherlich auch der Gegenstandskatalog identisch sein. Anderes gilt beispielsweise für Kapitel 4 des Gegenstandskatalogs. Im gegenwärtigen Katalog wird lediglich der Bereich Störungen des Kindes- und Jugendalters ausführlich behandelt. Dies ist für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gerechtfertigt. Psychologische Psychotherapeuten sind hingegen für alle Störungsbereiche auszubilden. Es wäre nicht zu rechtfertigen, dass für diese Berufsgruppe lediglich für die Störungen des Kindes- und Jugendalters ein entsprechendes Wissen vermittelt bzw. abgeprüft werden soll, während dies für alle anderen Störungsbereiche nicht der Fall ist.

Die im Punkt 5 der Anlage 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung geforderten Kenntnisse werden im Gegenstandskatalog bereits durch die Unterpunkte 4.1 (Entwicklungspsychologie und Entwicklungs-Psychopathologie) und vielleicht auch 4.4 (Besonderheiten in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen) abgedeckt. Falls zusätzlich auch die Definition, Klassifikation, Epidemiologie und Diagnostik der Störungen im Kindes- und Jugendalter in den Gegenstandskatalog aufgenommen werden sollen, dann sollte dies auch für alle anderen Störungsbereiche der Fall sein (s. Punkt 2 des Anhangs der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung).

Zu 3: Ausbildungsumfang

Nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung betrifft die schriftliche Prüfung lediglich die Grundkenntnisse der theoretischen Ausbildung. Dafür sind 200 h Ausbildung angesetzt. In der Anlage 1 wird den Ausbildungsinstituten verbindlich vorgeschrieben, welche Inhalte sie in der theoretischen Ausbildung behandeln sollen. Dies ist gegliedert in zwölf Bereiche. Rein rechnerisch würden sich pro Bereich ca. 17 h Lehre ergeben, also eine Wochenendveranstaltung.

Gegenstand der Prüfung kann nur das sein, was auch gelehrt und von den Studierenden vor- und nachgearbeitet wird. Im Vergleich dazu erscheint der Gegenstandskatalog insgesamt zu umfassend und in vielen Bereichen zu differenziert. Eine didaktisch vertretbare Vermittlung aller im Gegenstandskatalog aufgeführten Inhalte innerhalb von 200 h ist auf keinen Fall möglich. Da es sich (bei der dreijährigen Ausbildung) um eine Vollzeitausbildung handelt, deren Gesamt-Ausbildungszeit festgelegt ist, kann auch nicht durch Verweis auf Selbststudium dieser Anteil ausgeweitet werden.

Von daher steht zu befürchten, dass Unterrichtsstunden, die für die vertiefte Ausbildung vorgesehen sind, für die Vermittlung der Grundkenntnisse verwendet werden. Dies ist weder im Sinne der gesetzlichen Vorgaben noch inhaltlich wünschenswert.

Als besonders auffälliges Beispiel für eine zu umfangreiche und zu differenzierte Gegenstandsbestimmung möchten wir (neben Kapitel 4 "Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter" s. o.) auf Kapitel 7 (Medizinische Grundkenntnisse), Kapitel 3 (Diagnostik) und Kapitel 9 (Methoden) verweisen.

Zu Kap. 3 - Diagnostik: Die Diagnostik ist zweifelsohne von großer Bedeutung für die Ausbildung. Sie spielt einerseits bei dem Ausbildungsteil "Grundkenntnisse" eine Rolle, vermehrt dann aber bei der vertieften Ausbildung (s. Lehrinhalt B1.). Da dies jedoch nicht Gegenstand der schriftlichen Prüfung ist, sollte der Gegenstandskatalog an dieser Stelle ebenfalls erheblich reduziert werden.

Zu Kap. 7:In dem Gegenstandskatalog zu den medizinischen Grundkenntnissen wird ein breites Spektrum von Themen aufgeführt. Letztlich ist fast die gesamte Physiologie genannt. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich festgelegt, dass eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nur Personen machen dürfen, die bereits eine grundlegende Ausbildung, nämlich das Psychologiestudium, absolviert haben. Dies schließt auch eine Ausbildung im "Nebenfach" Physiologie ein. Es ist ausdrücklich nicht vorgesehen, dass solche, im Diplomstudiengang erworbene Grundkenntnisse in einem solchen Umfang Gegenstand der neu definierten Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten sein sollen. Insofern können sie auch nicht Gegenstand der Prüfung sein. Die Überprüfung von Vorkenntnissen könnte höchstens in einer Eingangsprüfung gefordert werden, die vom Gesetzgeber jedoch nicht vorgesehen ist. (Dies gilt zumindest für die Ausbildung und Prüfung von Psychologischen Psychotherapeuten.)

Zu Kap. 9: In dem schriftlich zu überprüfenden Teil A der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sind - wie erwähnt - lediglich Grundkenntnisse (s. Überschrift dieses Teils) zu lehren und zu prüfen. Dies gilt auch und gerade für die Methoden wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren. Der im Gegenstandskatalog aufgeführte Differenzierungsgrad ist für den mündlichen Teil der Prüfung, die sich auf eine Methode als Schwerpunkt bezieht, angemessen, nicht jedoch für die Lehre und Überprüfung der Grundkenntnisse. Im Übrigen sollte beim Umfang der Themenblöcke berücksichtigt werden, dass sich die Grundlagen der Methoden der Psychoanalyse und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie überlappen. Außerdem ist nach dem jüngsten Beschluss des Wissenschaftlichen Beirats nunmehr die Gesprächspsychotherapie entsprechend zu berücksichtigen.

Köln, 16.09.2002

Prof. Dr. S. O. Hoffmann

 

  Prof. Dr. J. Margraf